28 September 2007

Sõitma rongiga (mit dem Zug fahren)

Wieder einmal eine besondere Situation im Land, das eine nachkriegsähnliche Verkehrsinfrastruktur neben übermodernen Kommunikationsnetzen kennt. Ich warte auf den Schaffner, der mir das Passwort für das drahtlose Netzwerk „1. Klasse“ mitteilen sollte. Genau Schaffner, Kondukteur, der im Zug. Keine Ahnung, was momentan der Stand der Dinge bei den SBB ist, was den mobilen Internetzugang in ihren Zügen angeht. Da könnte ich sicher meinen Bruder damit nerven. Bis ich eine zufriedenstellende Auskunft bekomme, fahre ich erst einmal durch die herbstlichen Bäumerreihen in fetten Ledersesseln (haben sie dafür die First-Class der Swissair-Flugzeuge ausgeweidet?).
Die Prioritäten werden hier anders gesetzt, obwohl ich mich gerade frage, ob überhaupt Prioritäten aktiv gesetzt werden. Neben diesem grossartigen Angebot beim Rollmaterial und dem eilfertigen Service, werden klare Abstriche bei der Infrastruktur gemacht. Es holpert wie kürzlich in Rumänien und das untere Bild beweist: Es gibt für Estlands zweitgrösste Stadt kein Bahnhofsgebäude. (Fairerweise muss man sagen, dass mein Reiseführer berichtet, dass dieses im Herbst 2006 abgebrannt ist.)
Sowieso diese starke Verknüpfung von Höchstleistungen bei den Anwendungen und der miserablen Versorgungslage in einigen Kernbereichen, kriegt schnell eine satirische Seite. Ein dänischer Doktorand, der seit 8 Jahren in Estland lebt, verdeutlichte mir gestern, warum der vorwiegend von Russen bewohnte Nordosten Estlands nicht an Russland abgegeben wird (neben natürlich vierlei anderen Gründen): Mit dem plötzlichen Wegfall der energieproduzierenden Gebiete (Ölschiffer) könnte das virtuelle Estland nicht mehr existieren. Mit dem Schlagwort E-Stonia ist gemeint, dass die meisten und wichtigsten politischen Angelegenheiten via dem Internet erledigt werden. (Natürlich wählt man online seine Abgeordneten – und nicht nur auf Gemeindeebene, liebe Schweizer Behörden).
Wie wir uns in Windeseile gegen Tallinn bewegen, kommt der Schaffner einfach nicht mit dem Passwort fürs W-Lan an mir vorbei.


Der Hauptbahnhof der Universitätsstadt Tartu


1. Klasse reisen und nur 2 Franken mehr bezahlen


Weiche Recherchierplätze

Die Ankunft im Talliner Bahnhof ist ein bisschen imposanter als beim aus der Sowjetzeit geretteten Busbahnhof.


Unser Vordermann

23 September 2007

Excursion to Pirita

The autumn started here in Tallinn long ago. But in honour of its beginning, an impression of the most central park.



I liked it a lot to stand inside the ruins of the old monastery in Pirita. As an architect, I would erect such a building for cultural venues. The feeling is monumental.


Pirita, the seaside resort of Tallinn, provides a marvellous view to the inner-city. On the left one can see the hotel and bank towers which are followed to the right by the churches of the medieval old town.


To some people, an untouched seashore is just boring, presumably...


I passed the Chinese embassy on my way back. This is from their show screen.

21 September 2007

The Swiss seen from abroad

Since I found out in Budapest that making connections to Swiss institutions means another way of fruitful contacts, I also follow this track here in Estonia. The first contact was an already set one: I was assumed to work in the Swiss reading room of the national library. It is still a fortress of Matterhorn and Basel-Rhine-with-cathedrale-posters and red mouse pads with white crosses on it, but in earlier times its looks were even more spooky. The librarians were told to use only red pens and pencils. Luckily, that printing paper was by its nature white. Nowadays it still looks like a fair stand of OSEC, the Swiss export-concerning organisation. In the middle of the glas dividers a red ribbon with white crosses is prominently displayed (danke Leo für die Übersetzung).
I have the honour to attend the opening of the second Swiss reading room in the university city Tartu. I have kept happy memories of the receptions of the Swiss embassy in Budapest, so I am looking forward to more such things.
Germans also still try to invade Switzerland. Under the students' section in the well-received website of political weekly Spiegel (danke Judith) you can check if you understand Swiss terms. Well done! And what do they want to tell us with that in the bottom line?

08 September 2007

Recycling

Es gibt einige Sachen, die fallen einen nach einer Woche auf und ein, wenn man sich angeschickt hat, in einem fremden Land zu leben. Dazu gehört sicher das Abwallwesen und die Wiederverwertung. Nach etwa einer Woche haben sich genügend Hausabfälle angesammelt, dass man die gerne leeren würde. Zudem gilt es Behältnisse unserer Industriekultur zurückzugeben, die irgendwer mal irgendwann mal als rückführbar definiert hat.
Ob meine lieben ausländischen Mitbewohner in Zürichs WG oder ich selbst in Budapest oder jetzt in Tallinn, Informationen darüber, was ein Zürisack ist oder wieviel Pfand eine estnische PET-Flasche hat, tröpfeln langsam auf einen ein oder sickern derart zu einem durch.
Wo ich mich sonst schwer tue, verschiedene Systeme miteinander zu vergleichen und vor allem dann mit Werten zu belegen, das schaffe ich dann beim Abfallwesen. Ich werde zum Chefempiriker des Fortschmeissens und zum Comparative Advisor of Waste Products.
Es ist doch erstaunlich, wie sehr in der Schweiz dass Abfall- und Recyclingwesen wie von der Zauberhand funktioniert. Wir alle sind fleissig, nehmen uns in die Pflicht und erinnern uns an Sammeltage (vielleicht auch erst an den übernachsten, aber immerhin). Es braucht nicht mal eine monetäre Vorbelastung auf Flaschen und Büchsen, wir bringen sie allesamt zurück.
Das Schweizer System der freiwilligen Selbstorganisation wollten die lokalen Autoritäten auch in Budapest durchbringen. Doch die Sammelstellen für Glas, Karton, PET und Büchsen blieben meist leer. Warum sollte man sich auf den Weg zu einer komischen öffentlichen Wegwerfaktion machen, wenn zuhause der kostenlose Abfallsack genügend Volumen hat? Wieder einmal ein Beispiel einer versuchten und missglückten Übersetzung eines Instruments von einer Kultur in die andere.
Die ungarischen Behörden hätten nach Estland schauen sollen. Dort wird auf dem Hintergrund des Rational-Choice-Gedankens eine für alle Seiten zufriedenstellende Recycling-Situation geschaffen. Hier sind die Flaschen und Büchsen, ebenso jene aus PET, mit einem geringen Pfand von 5 Rappen versehen. Das heisst zwar, dass alle die Behälter in den nächsten Mülleimer werfen. Wo sie aber, weil der Müllmann nicht täglich kommt, von Obdachlosen aufgespürt und zur zentralen Rückgabestelle gebracht werden. Ihnen ist ein kleiner Zustupf sicher und die erwerbstätigen Leute müssen sich nicht an eine aufgezwungene kulturelle Änderung ihres Wegwerfverhaltens gewöhnen.
Nur warum soll man es den Bedürftigen schwer machen und sie nicht auch des entwürdigenden Durchwühlens befreien? Sobald ich jemanden in der Nähe meiner Wohnung erblicke, der Container durchwühlt, hole ich meine paar Leergüter aus der Wohnung und übergebe sie direkt meiner Entsorgungspartnerin. Der wahrscheinlich einfachste und umkomplizierteste Weg im Gesamten für alle. Sprich für Rational-Choice-Theoretiker: Ein stabiles Nash-Gleichgewicht.

Ich bin neugierig auf Leser-Kommentare zu diesem Gegenstand. Bitte Senf dazugeben.